Tiere denken, Tiere fühlen, Tiere sind erfinderisch und haben ein komplexes
Seelenleben – und nicht selten versuchen sie, sich uns Menschen verständlich zu
machen. Bisweilen gelingt dies, und wem dies einmal widerfahren ist, wird nicht nur für
immer verändert, sondern hat eine Geschichte zu erzählen, die auch unseren Blick auf
die Tierwelt verändern kann. Viele Menschen haben Jürgen Teipel ihre ganz besonderen
Begegnungen erzählt – es sind frappierende, überraschende und anrührende
Geschichten: so wie die von dem Eichhörnchen, das in einem Park an jemandem
hochkrabbelt, ihn geradezu »adoptiert« und nicht mehr von ihm weichen will, selbst nicht unter
der Dusche; oder die von dem sieben Meter langen Glattwalbaby, das einen Taucher zu einer
Rutschpartie auf seinem Rücken einlädt; oder die von der einstmals wilden Katze, die bei der
Rückkehr ihres Lebensmenschen nach langer Abwesenheit so außer sich gerät, dass sie
tagelange Freudentänze aufführt; oder die von der sterbenskranken Frau, die Trost durch die
empathische Begleitung eines Pferdes bekam.
Diese oft unglaublichen, doch wahren Geschichten – von Kühen mit Humor, von Pferden, die
sich selbst heilen, von künstlerisch begabten Affen, verliebten Katzen und von Angst-Hasen,
die über sich selbst hinauswachsen – handeln von Vertrauen, Mitgefühl, Freundschaft und, ja,
auch von Liebe zu und unter den Tieren. In ihnen scheint für Momente die Grenze zwischen
Mensch und Tier aufgehoben.
... Und dann rollte der Dachs sich wieder ganz fest ein und schlief weiter. Ganz langsam atmend.
Und das hörte man. Und wenn man es eine Weile gehört hatte, verliebte man sich in ihn.
Ich hätte ihm ewig zuhören können. Man hörte ihn schnarchen. Man hörte ihn träumen. Er träumte vom Essen.
(aus der Geschichte: "Gestreifter Stoiker")
... Wo immer meine Mutter hinging – zu den Indianern oder zu Doktor Ruez oder zur Sägerei von Papa:
Der Ozelot kam mit. Manchmal sah sie ihn, manchmal nicht. Manchmal ging sie und wusste: Er ist irgendwo im Gebüsch.
Und wenn sie ankam, war er plötzlich wieder neben ihr. Wie ein gefleckter Schatten.
(aus der Geschichte: "Gefleckter Schatten")
... Dann merkte ich, dass sich der Berglöwe wieder bewegt hatte. Er hatte sich ein paar Schritte näher herangepirscht.
Und wieder war ich fasziniert von seinem Gang. Ich konnte sein Gewicht spüren.
Wie konnte er da trotzdem so graziös, fast balletttänzerisch gehen? So fein, und doch so kraftvoll und mächtig.
Wie konnte diese Kombination derart gelingen?
(aus der Geschichte: "Der Traum")